Am 9. November jährt sich die Pogromnacht zum 86. mal. In dieser Nacht und den darauffolgenden Tagen wurden jüdische Menschen in Deutschland und Österreich Opfer brutaler Gewalt. Synagogen brannten, Geschäfte und Wohnungen wurden zerstört. Jüdische Menschen wurden verhaftet, misshandelt und getötet. Diese Ereignisse waren Vorboten der Shoa, des grausamen Völkermords an über sechs Millionen Jüdinnen und Juden. Wir gedenken der Opfer und erinnern an die Schrecken, die aus Hass, Intoleranz und aus einer Politik der Profitmaximierung und Machterweiterung erwachsen.
Aus der Geschichte Schlüsse ziehen
In diesen Zeiten, in denen die AfD in Ostdeutschland zur stärksten Kraft heranwächst, ist es wichtiger denn je, wachsam zu bleiben.
Die Rechtsentwicklung, die bereits vor 1933 ihren Anfang nahm, weist bedrückende Parallelen zur heutigen politischen Situation auf. Damals wie heute schaffen populistische und nationalistische Strömungen ein gefährliches Klima der Intoleranz und des Hasses. Die Militarisierung der Gesellschaft und des Staates, damals wie heute, verstärkt diese Tendenzen und führt zu Repressionen gegen demokratische Bewegungen.
Der Vergleich von Deportationen während des Faschismus und der heutigen Remigrationspolitik ist zwar unzulässig, jedoch passiert Erschreckendes im Umgang mit Minderheiten und Geflüchteten. Es ist unsere Pflicht, diese Parallelen zu erkennen und entschlossen dagegen vorzugehen.
Rechtsentwicklung muss gestoppt werden
Ein stärkeres Eintreten der Gewerkschaften gegen alle Facetten der Rechtsentwicklung und der Militarisierung wäre dringend notwendig. Es ist an der Zeit, die kapitalistische Struktur, die hinter dieser Entwicklung steht, offen zu benennen und zu kritisieren, wie es schon Papst Franzikus in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ getan hat. Dort tritt er für eine Gesellschaft ein, die sich an der Würde jedes Menschen und dem Gemeinwohl orientiert und beklagt: „Diese Wirtschaft tötet!“.
Die aktuelle Politik der CDU/CSU und AfD trägt signifikant zum Rechtsruck bei, das ist den meisten aber wahrscheinlich bewusst.
Umso wichtiger ist es aber, auch die Ampelregierung zu kritisieren, denn die Verschärfung der Migrationspolitik widerspricht den Menschenrechten. Durch Sozialabbau, offene Kriegs- und unzureichende Klimapolitik wird unser aller Zukunft in Gefahr gebracht.
Betty Rosenfeld – Ein Leben im Widerstand!
Unsere Erinnerungskultur, besonders in Stuttgart, darf nicht nur aus symbolischen Handlungen bestehen. Wir müssen uns aktiv mit den Opfern des Faschismus solidarisieren und ihre Geschichten lebendig halten. Ein Beispiel hierfür ist Betty Rosenfeld, eine jüdische Krankenschwester. Sie war politisch interessiert und besuchte die „Marxistische Arbeiterschule“ in Stuttgart. Nach der Machtübertragung an die NSDAP 1933 sah sich Betty durch ihr Engagement für die „Rote Hilfe“, die Nähe zur KPD und wegen der zunehmenden Judenverfolgung in ihrer Existenz bedroht. Gemeinsam mit ihren Schwestern wanderte sie 1935 nach Palästina aus. Als Betty im Sommer 1936 vom Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs hörte, entschied sie sich, die Internationalen Brigaden zu unterstützen. Nach dem Sieg des Franquismus flüchtete Betty im Frühjahr 1939 mit ihrem Ehemann über die Pyrenäengrenze nach Frankreich. Im Juni 1939 wurde sie mit ihrem Mann von der französischen Polizei in das angrenzende Internierungslager Gurs gebracht. Deutschland hatte die Auslieferung der Jüdinnen und Juden gefordert, und das Vichy-Regime folgte den Anordnungen der deutschen Besatzer. Am Morgen des 7. September 1942 wurden Betty und ihr Ehemann von Drancy aus mit dem Eisenbahn-„Konvoi 29“ zusammen mit weiteren 998 jüdischen Frauen und Männern nach Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie zwei Tage später ankamen und an einem unbekannten Datum in einer Gaskammer ermordet wurden. Ihre und die Geschichten vieler anderer Jüdinnen und Juden mahnen uns, wachsam und engagiert zu bleiben. Die Geschichte darf sich nicht wiederholen und der Faschismus darf nicht wiederkehren!
Gemeinsam für eine Welt des Friedens und der Solidarität
Wir solidarisieren uns mit allen Menschen weltweit, die von Faschismus, Verfolgung, Unterdrückung, Krieg und Hunger betroffen sind. Jegliche Unterstützung des deutschen Staates für unterdrückende Regierungen lehnen wir entschieden ab.
Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass die Schrecken der Vergangenheit sich nicht wiederholen. Erinnern heißt handeln – gegen das Vergessen, gegen das Erstarken rechter Ideologien und Politik. Für eine gerechte, solidarische und friedliche Welt. Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg.
Gegen das Vergessen – Kommt am 9. November zur Gedenkkundgebung!
Für uns gilt getreu dem Schwur von Buchenwald:
Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Veranstalter: Bündnis zum Gedenken an die Opfer der Pogromnacht in Cannstatt
Dieser Aufruf wird unterstützt von:
Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart und Region (AABS); Antifaschistische Aktion Stuttgart – Ortsgruppe der Antifa Süd; DIDF, Freundschafts- und Solidaritätsverein Stuttgart e.V.; DIDF – Jugend Stuttgart; DIE LINKE Stuttgart; DKP (Deutsche Kommunistische Partei) Stuttgart; Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba Regionalgruppe Stuttgart; Friedenstreff Cannstatt; Friedenstreff Stuttgart Nord; Groll, Renate und Manfred, Gerlingen; GEW Kreis Stuttgart; GRÜNE JUGEND Stuttgart; Heckl, Norbert, stv. DGB – Stadtverbandsvorsitzender Stuttgart; Jusos Stuttgart (Jungsozialisten in der SPD), Hofmann, Reiner; Krisenbündnis Stuttgart; organisierte autonomie stuttgart; Organisation für den Aufbau einer Kommunistischen Arbeiterpartei/ Arbeit Zukunft; Schollenberger, Maike; SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend) Stuttgart; SÖS, Stuttgart Ökologisch Sozial, Stadtjugendring Stuttgart, ver.di Bezirk Stuttgart; ver.di-Jugend Stuttgart; VVN-BdA, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten; Verein Zukunftswerkstatt e.V., Zuffenhausen; VÖS (Vaihingen Ökologisch Sozial); Waldheim Stuttgart e.V. / Clara Zetkin Haus, Waldheim Gaisburg e.V.; Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften