Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Winfried Kretschmann, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper,
in Sorge um die gegenwärtig außerordentlich bedrohliche Situation wenden wir uns an Sie.
Nach vorliegenden Informationen hat die US-Regierung angekündigt, vor dem Hintergrund der weiteren Eskalation des Krieges in der Ukraine, die zunächst für 2023 vorgesehene Stationierung der modernisierten Atomwaffen für Westeuropa auf Dezember 2022 vorzuziehen.
Diese Atomwaffen bedeuten nach unserer Einschätzung eine extreme und unverantwortliche weitere Zuspitzung der gefährlichen Eskalationsspirale hin zur Vorstellung eines führbaren Atomkriegs in Europa. Die neuen Atomwaffen B61-12 sind präzis lenkbare und in ihrer atomaren Sprengkraft dosierbare bunkerbrechende Erstschlagswaffen für den sogenannten taktischen Atomkrieg auf einem Schlachtfeld Europa.
Die US-Regierung sowie führende US-Militärs haben immer wieder betont, dass sie sich das Recht auf einen atomaren Erstschlag vorbehalten. US-Präsident Biden hat für die US- Regierung erst vor kurzem erklärt, dass er sich auch einen atomaren Präventivschlag vorstellen könne, „wenn vitale Interessen der USA bedroht“ wären. Dies entspricht auch der NATO-Atomwaffenstrategie.
Wenn auf der anderen Seite der russische Präsident Putin den Einsatz von Atomwaffen für den Fall der existentiellen Bedrohung Russlands angekündigt hat, so unterstreicht das die Gefahr einer nuklearen Eskalation des Ukraine-Krieges zum Dritten Weltkrieg. Dies wäre aber das Ende nicht nur Deutschlands, sondern ganz Europas und vermutlich auch der menschlichen Zivilisation.
Wir wissen natürlich, dass Sie nicht über die Macht verfügen, um in dieser Frage zu entscheiden. Aber die US-Kommandozentrale EUCOM, von der aus die US-Regierung ihre in Europa stationierten Truppen einschließlich aller US-Atomwaffen befehligt, liegt in dem von Ihnen, Herr Ministerpräsident, regierten Bundesland bzw. der von Ihnen, Herr Oberbürgermeister, verwalteten Stadt. Diese Tatsache verleiht Ihnen nach unserer Überzeugung beträchtliches politisches Gewicht, um auf die Mitglieder Ihrer Parteien in Bundesregierung und Bundestag deeskalierend einzuwirken.
Von deutschem Boden, also auch von den US-Kommandozentralen EUCOM und AFRICOM in Stuttgart darf kein Krieg mehr ausgehen. So wie es im Grundgesetz Artikel 26 klar formuliert wird.
Wir fordern Sie daher auf, sich einzusetzen
- für den Abzug aller US-Atomwaffen aus Deutschland entsprechend dem Bundestagsbeschluss von 2010
- für den überfälligen Beitritt Deutschlands zum UN- Atomwaffenverbotsvertrag. Dies entspricht der Intention der internationalen Vereinigung der Bürgermeister für den Frieden, „Mayors for peace“, einschließlich Stuttgart sowie dem Wunsch der Landtagsabgeordneten, welche die Abgeordnetenerklärung zur International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (ICAN) unterschrieben haben.
- gegen die Anschaffung von atomaren Trägersystemen für die Bundeswehr wie die Tarnkappenbomber F35
- für die Schließung der US-Kommandozentralen EUCOM und AFRICOM, das u.a. für illegale tödliche Drohneneinsätze in Afrika verantwortlich gemacht wird.
Eine Perspektive für den Frieden und damit für die Zukunft der Menschheit kann nur gewonnen werden, wenn es gelingt, eine weitere Eskalation des Krieges in der Ukraine zu ver- hindern und einen Weg zum Waffenstillstand und zu einem „Verhandlungsfrieden“ zu finden.
Um den Frieden zu gewinnen braucht es die Bereitschaft für einen Stopp der Waffenlieferungen und für die Beendigung des Wirtschaftskriegs gegen Russland. Der Wirtschaftskrieg führt mit all seinen verheerenden Folgen zur Verarmung unserer Bevölkerung sowie zur Deindustrialisierung unserer gesamten Volkswirtschaft. Sowohl Krieg als auch Wirtschaftskrieg haben katastrophale ökologische Auswirkungen – und das weltweit.
Auch wenn wir – die verschiedenen Gruppierungen der Friedensbewegung – uns nicht in allen Aspekten des Krieges in der Ukraine einig sind, so sprechen wir zur Abwendung der atomaren Weltkriegsgefahr doch mit einer Stimme!
Wir erwarten von Ihnen, unsere Anliegen zu unterstützen und entsprechend Ihrem Amtseid Schaden von der deutschen Bevölkerung sowie im Besonderen von Stuttgart abzuwenden.
Mit freundlichen Grüßen
aus der Stuttgarter Friedensbewegung,
Offener FriedensTreff Stuttgart (Initiator)