Paul Schobel, Betriebsseelsorger i.R., Böblingen
Fiel im Mittelalter ein gepanzerter Ritter vom Gaul, lag er meistens zappelnd wie ein Maikäfer auf dem Rücken – unfähig, aus eigener Kraft je wieder auf die Beine zu kommen. Eine leichte Beute für den Feind. Wer sich so panzert, kriegt einfach den Arsch nicht mehr hoch.
So wird es der Menschheit ergehen, wenn sie sich weiterhin systematisch zu Tode rüstet. In einem weltweiten Wettlauf der Besessenen verpulvern die Regierungen jährlich über zweitausend Milliarden US-Dollar. Um diese Summe mit den vielen Nullen grafisch darzustellen, braucht‘s schon die Wand einer Turnhalle. So investiert man in den Tod und nicht in das Leben, das „gute Leben“ aller Menschen auf diesem Planeten. Man braucht kein Prophet zu sein, um festzustellen: Wenn wir so weitermachen, ist das Schicksal der Menschheit besiegelt. Wir werden mit Müh und Not bis zu 12 Mrd. Menschen ernähren können, aber auch nur, wenn wir teilen, was wir haben. Wir werden die Völker aber nicht auch noch waffenstarrend hochrüsten können. Das geben die Ressourcen dieses Erdballs einfach nicht her, von der Klima-Belastung gar nicht zu reden. Schon ein niedliches Leopard-Panzerchen schlägt mit 15 Millionen Euro ins Kontor, ein Kampfjet gleich mit 150 Millionen. Mit jeder Artilleriegranate fliegen drei voll finanzierte Kita-Plätze durch die Luft. Es ist leider wahr, was wir schon seit Jahrzehnten immer wieder reklamieren: Rüstung tötet schon ohne Krieg, sie beraubt uns der Lebensgrundlage. Und Rüstung programmiert mit fast tödlicher Sicherheit neue Kriege, sonst rechnet sich das nicht. Es ist leider so: Wenn in den Kriegsgebieten die Sargdeckel zufallen, knallen in den Rüstungsbuden die Sekt-Korken. „Bei uns fließen zur Zeit Milch und Honig“, brüstete sich vor kurzem ein Rüstungs-Boss. Voll daneben, denn mit „Milch und Honig“ meint die Bibel das glatte Gegenteil: Den „Schalom“, das auskömmliche Leben für alle, inneren und äußeren Frieden.
Und wir mit unseren Rüstungsprogrammen vorne feste mit dabei, denn wir müssen ja „kriegstüchtig“ werden, fordert der Verteidigungsminister. Also werden die Druckmaschinen angeworfen und schnell 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr herausgenudelt. Kein „Sondervermögen“ natürlich, denn ist es nirgendwo ein Goldesel, der Dukaten scheißt, es sind vielmehr „Sonderschulden“, die dann in barer Münze zurückzuzahlen sind. Doch woher nehmen? Also „Knüppel aus dem Sack“, es bleibt nur der Rotstift, massive Einsparungen im Staatshaushalt. Wer da als erstes windelweich geprügelt wird, sind immer die Sozialhaushalte. Klar, wenn nun fast jeder fünfte Euro im Bundeshaushalt in die Rüstung fließt, geht der „Wumms“ nach hinten los. Die im Bundeshaushalt geplanten Kürzungen treffen die Organisationen der „Freien Wohlfahrtspflege“ mit 25%.
Vergebens bislang der lautstarke Protest der Sozialverbände. Sie warnen eindrücklich vor einem „Zusammenbruch der sozialen Infrastruktur“. Jede dritte Einrichtung wird Personal einsparen oder gar abbauen müssen. Mehr als die Hälfte der sozialen Organisationen sieht sich gezwungen, Angebote und Leistungen einzuschränken.
Schaut man sich den Grusel-Katalog ein bisschen genauer an, greift man sich ein ums andere mal ans Hirn:
- Mit 200 Mio wird am Elterngeld gespart. Klar – man braucht die Frauen in der Erwerbsarbeit, aber wohin dann mit den Kids, wenn Kita-Plätze fehlen oder nicht besetzt werden können?
- Die Kindergrundsicherung fährt auf der Schmalspur einer Kindereisenbahn: Sie wird in dieser Spar-Version die Kinderarmut in einem der reichsten Länder der Welt nicht beseitigen können. Fast jedes dritte Kind lebt an oder unterhalb der Armutsschwelle.
- Das Bafög wird gekürzt. Gleichzeitig lamentiert man aber über den Fachkräftemangel. Wie passt denn das zusammen?
- Hart betroffen auch die „Freiwilligen-Dienste“. Paradox, denn da kommen Tausende junger Menschen auf den Geschmack sozialer Arbeit und ergreifen dann soziale Berufe, die uns so sehr fehlen. Dümmer geht’s nicht!
- Damit nicht genug: Neue Flüchtlingswellen überrollen zur Zeit die Kommunen, die Asylverfahren dauern viel zu lang. Das hindert die Bundesregierung jedoch nicht, die Migrationsberatung um ein Drittel zu kürzen.
- Sogar die Bereiche Gesundheit und Pflege sind betroffen. Und dies in einer zunehmend alternden Gesellschaft. Da werden Betten abgebaut, dann liegen Schwerstkranke auf den Fluren der Notaufnahme. Investoren übernehmen Altenheime und machen Kasse oder verkaufen dann den Laden und das Grundstück. Die Zuschüsse an die Rentenversicherung werden reduziert. Keine gute Nachricht für die armen Alten. Aber auch nicht für die Verdiener, die wahrscheinlich bald mit höheren Beiträgen zur Kasse gebeten werden.
- Fast 16 % der Menschen in Deutschland, das sind 14 Mio Millionen, sind nun von Armut bedroht oder betroffen. Es ist die alleinerziehende Mutter, die vielleicht direkt nebenan wohnt. Es sind Langzeitarbeitslose, arme Alte und vor allem prekär Beschäftigte, die nicht einmal als Vollzeit-Jobber ein Existenzminimum verdienen. Da müsste man doch jeden Cent zusammenkratzen, um diese elende Armut in einem reichen Land zu bekämpfen. Demnächst reicht die Schlange vor dem Tafelladen bis hoch zum Bopser.
- Statt Milliarden in des Wortes wahrstem Sinn zu verpulvern, würden wir sie besser in den sozialen Wohnungsbau investieren. Es fehlen 700.000 Wohnungen und es fehlt vor allem an bezahlbarem Wohnraum. Nicht von ungefähr nimmt nun die Zahl der Obdachlosen wieder zu und greift auch mehr und mehr über auf Frauen und Kinder.
Solche Sparmaßnahmen – aber dies nur am Rand – sind gegenwärtig auch ökonomisch absurd. Die Wirtschaft stottert, die Nachfrage schwächelt. Nun nehmen wir auch denen noch die paar Kröten weg, die sie eben nicht zur Bank bringen, sondern auf den Markt tragen würden. Es sind die Armen, die den Wirtschaftskreislauf beleben könnten.
Nun müssen sie statt dessen über Einsparungen Drohnen und Kanonen, Panzer und Raketen mitfinanzieren. Sie sind es an erster Stelle, die – im Zusammenhang mit der elenden und kriegsbedingten Teuerung – diesen Krieg ausleiden müssen. Wehe es käme ein harter Winter – dann werden Tausende von einkommensschwachen Menschen jeden Tag entweder frieren oder hungern müssen, vielleicht auch beides. Essen oder gar eine gesunde Ernährung und eine warme Stube, beides gleichzeitig geht nicht mehr.
Die Hochrüstung führt dazu, dass noch mehr Menschen auf der Verliererbank landen. Dort werden sie dann von Rechtsradikalen eingesammelt und abgeholt und fallen auf deren Parolen herein. Die haben ja keine Programme oder die falschen, sie haben aber jede Menge hohler Sprüche auf Lager, und die klingen in den Ohren der Bedürftigen wie liebliche Musik. So füttern wir die Gegner der Demokratie, die schrägen Galgenvögel auf der rechten Seite.
Sozialabbau gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den sozialen Frieden. Die Nachwehen von Corona, der Klima-Wandel und nun auch noch Krieg, Waffenlieferungen und Flüchtlingsströme verunsichern die Menschen. In diesen Krisenzeiten muss vor allem die Sozialpolitik, also die Sorge um die Schwächsten, den Laden zusammenhalten. Solche Erschütterungen, wie sie gegenwärtig auszuhalten sind, schreien geradezu nach einem verlässlichen Sozialstaat. Gerade jetzt dürfen wir den sozialen Frieden nicht gefährden. Ein starker Sozialstaat ist der Garant für den Zusammenhalt im Innern.
Ich halte es mit dem Propheten Jesaja (32,17), der sagt: „Friede ist Frucht der Gerechtigkeit, der Ertrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit für immer“
Sicher ist
Dass nichts sicher ist
Und sicherer wird
Wenn wir
Uns panzern
Mit argwohn und angst
Wenn wir
Uns stählen
Mit worten und waffen
Wenn wir uns brüsten
Mit treffern und trümmern
Sicher ist nur
Dass dadurch sicher ist
Und sicherer wird
Der tod
(Vera-Sabine Winkler, Pfarrerin und Theo-Poetin)