Die heutige Welt ist geprägt von Krisen ökonomischer, ökologischer und so- zialer Art. Nicht zuletzt durch die Klimakatastrophe wird die kapitalistische Produktionsweise immer mehr in Frage gestellt. Die Welt steuert in Richtung multipolarer Machtverhältnisse und die ehemals dominierenden Staaten versuchen, ihre Vormachtstellung zu verteidigen.
Das Ergebnis sind Krieg, Inflation und Armut weltweit. Die Situation erinnert an die Entwicklung von vor 100 Jahren mit großen gesellschaftlichen Um- wälzungen, dem ersten Weltkrieg, Wirtschaftskrise und dem aufkommenden Faschismus, der von immer mehr Großkonzernen unterstützt und finanziert wurde.
Aktuell beobachten wir, wie wieder eine deutsche Regierung den Kurs der Aufrüstung fährt. Anstelle von bitter notwendigen Investitionen in das Bil- dungs- und Gesundheitssystem, werden Aufrüstungspakete in gigantischer Höhe beschlossen. Die Profiteure dieses Aufrüstungskurses, Rheinmetall, Hensoldt, Heckler & Koch sind in weiten Teilen dieselben Konzerne, die auch vom zweiten Weltkrieg profitiert haben.
Das gesellschaftliche, kulturelle und politische Zusammenleben weltweit
ist nach wie vor geprägt von einer unvollständigen Erinnerungskultur mit blinden Flecken. Diese misslungene Aufarbeitung äußert sich im öffentlichen Bild unter anderem darin, dass nach wie vor Straßen und Plätze nach Faschisten benannt sind, wie beispielsweise die Hanns-Martin-Schleyer- Halle in Stuttgart, die den Namen eines ehemaligen SS-Untersturmführers trägt.
Diese öffentliche Ignoranz der Geschichte und mangelhafte Aufklärung
sind brandgefährlich und tragen maßgeblich dazu bei, die Geschichte zu verharmlosen. Sie zeigt, dass wir noch lange nicht damit fertig sind, uns mit der Aufarbeitung der Geschichte auseinanderzusetzen und Lehren daraus zu ziehen. Nicht nur in Deutschland, auch in Europa, den USA und weltweit wird der Rechtsruck seitens der Regierung zunehmend hingenommen und toleriert, was zur Folge hat, dass die Zahl antisemitischer Straftaten immer stärker steigt.
So wurde bei uns in Stuttgart beispielsweise ein Info-Stand der Deutsch-Is- raelischen Gesellschaft zum 50. Jahrestag des Attentats auf die israelische Olympiamannschaft angegriffen.
2021 gab es in Deutschland seit ihrer Erfassung so viele antisemitische Straf- taten wie noch nie zuvor, der allergrößte Teil mit einem rechten Hintergrund. Dieser Antisemitismus kommt immer mehr aus der „Mitte“ der Gesellschaft. 23 Prozent der Befragten behaupten, dass Jüd:innen zu viel Macht in der Wirtschaft und im Finanzwesen hätten. Im Umfeld der Proteste gegen die Corona-Politik der Bundesregierung haben antisemitische Verschwörungs- mythen ihren festen Platz. Viele in Deutschland lebende jüdische Menschen haben Angst. Dies ist unerträglich und darf von uns nicht geduldet werden. Antisemitismus führt auch heute zu Entsolidarisierung und lenkt von den tatsächlichen Ursachen vieler systemischer Missstände ab.
Gegen das Vergessen – Kommt am 9. November zur Gedenkkundgebung!
Der Gedenktag an die Pogromnacht 1938 ist für uns Anlass und Auftrag, uns unserer historischen Verantwortung bewusst zu werden, der Kultur des Vergessens mit einer Kultur des Erinnerns entgegenzuwirken, die demokra- tischen Grundrechte aller gegen Abbau und Aushöhlung zu verteidigen und uns einer Politik von Konfrontation und Wirtschaftskrieg zu widersetzen. Entgegen einer Politik der Militarisierung stehen wir für Abrüstung, Diplo- matie und ein friedliches Zusammenleben sowie für eine solidarische Gesell- schaft ohne Rassismus und Antisemitismus. Dies bedarf der Zusammenar- beit und entschlossenen Gegenwehr aller.
Für uns gilt getreu dem Schwur von Buchenwald:
Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.