Rede am 25.07.24 von Friedrich Gehring zur Kundgebung und Demo gegen Mittelstreckenraketenketen

Ansprache zur beschlossenen Stationierung von US Mittelstreckenwaffen in Deutschland bei der Kundgebung des Friedenstreffs Stuttgart Nord am 25.7.2024, ab 17 Uhr 

Liebe Frieden Suchende,

am 24. März 1999 wandte sich der damalige Bundeskanzler Schröder an seine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger mit den Worten: „Heute Abend hat die Nato mit Luftschlägen gegen militärische Ziele in Jugoslawien begonnen. Damit will das Bündnis weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte unterbinden und eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern. … Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen,“ Minister Fischer von den Grünen, einer Partei, die ursprünglich für Frieden eintreten wollte, setzte noch einen drauf und behauptete, es gelte ein zweites Auschwitz zu verhindern. Der serbische Präsidenten Milosevic sollte als ein Naziverbrecher wie Hitler niedergerungen werden. Ich bin damals eine Woche lang im schwarzen Anzug an meinem Arbeitsplatz, dem Berufsschulzentrum Backnang, erschienen, um die Frage zu provozieren: Ja was ist den passiert, Herr Gehring? Ich konnte darauf antworten: „Deutschland führt wieder Krieg“. Es kam mir so vor, als sei ich der einzige, der diese fatale Zeitenwende bemerkt hatte. Kosovo wurde einfach von Serbien abgetrennt. 

Im Februar 2001 wies eine WDR-Dokumentation nach, dass im Kosovo weder ein Auschwitz drohte noch dass es ein Massaker an Kosovaren gegeben hatte. Kanzler Schröder konnte später eingestehen, dass der Krieg völkerrechtswidrig war, denn es lag kein Mandat der Vereinten Nationen vor. Dennoch es gab keine Konsequenzen für die Verantwortlichen in der Nato. Niemand sprach damals von einer deutschen Zeitenwende, obwohl sie tatsächlich vollzogen wurde. Ganz offiziell gab sich die Nato eine neue Aufgabenstellung. Ende Mai 1999 wurde erklärt, man sei nun nicht nur zur Verteidigung beieinander, sondern auch zur Interessendurchsetzung, Man wollte nun Kriege um „lebenswichtige Rohstoffe“, also Öl, führen oder gegen „unkontrollierte Bewegungen von Menschen“, also Flüchtlinge. Das schon bisher praktizierte völkerrechtswidrige Faustrecht der Nato wurde nun offiziell proklamiert. 

Spätestens damit war offenkundig: Die Bundeswehr war gegen das Völkerrecht und gegen das Grundgesetz in die Nato eingebunden. Ein Austritt aus der Nato war zwingende Verpflichtung für die deutschen Regierenden. Unser Grundgesetz erlaubt in Art 87 a den Einsatz der Bundeswehr nur zur Verteidigung. Jedes Manöver im Rahmen der Nato verstößt seither gegen Art. 26 GG. Denn dieser verbietet strafbewehrt die Vorbereitung eines Angriffskriegs. Der Natoaustritt hätte den Weg bereiten können, gemäß Art. 24 GG ein „System gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ zu etablieren. Dabei wären die Sicherheitsinteressen aller möglichen Konfliktbeteiligten berücksichtigt worden, auch die Russlands. Genau ein solches hat Putin 2001 unter großem Beifall im deutschen Bundestag angeboten. Niemand im Westen ging drauf ein.

Nun wird Putin im Westen dafür verteufelt, dass er das Natoverbechen im Kosovo nachgeahmt hat. Dabei musste er nicht so lügen wie Schröder und Fischer. Die 14000 Toten vor allem unter der prorussischen Bevölkerung im Donbass waren real. Die Abtrennung des Donbass von der Ukraine zum Schutz vor den Bomben der Kiewer Regierung war besser gerechtfertigt als die des Kosovo von Serbien. In heuchlerischer Doppelmoral wird, was im Kosovo recht gewesen sein soll, bei Putin nun Verbrechen genannt. Hinzu kommt: Die Nato hat im März 2022 den Frieden blockiert durch ihr Nein zu einer neutralen Ukraine. Für die Natoosterweiterung in die Ukraine hinein wird seither sinnlos gemetzelt wie einst bei Verdun. Die Nato will nun Putin die Schuld dafür geben, weil er ein Weltreich errichten wolle. Er hat aber nur 3 Militärstützpunkte, die USA weltweit etwa 900. 

Die deutsche politische Mitte, die sich als demokratisch preist, macht diese Sündenbockprojektion mit. Diese radikale kriegstreiberische Mitte um den Zeitenwendekanzler Scholz und den Kriegstüchtigkeitsminister Pistorius wird dadurch extrem gefährlich. Nur noch die rechten und linken Ränder bilden das kleine Häuflein der Friedfertigen. Es ist eine Schande für die radikalisierte Mitte, dass die Friedensbewegung auf autoritäre Politiker wie Trump oder Orban hoffen muss. Kriegstreiber Pistorius gilt als beliebtester deutscher Politiker, obwohl er Kriegstüchtigkeit propagiert wie einst Goebbels. Der Politikwissenschaftler Eugen Kogon wies 1982 darauf hin, dass :„Hitler und Goebbels … ein … primitives Stereotyp“ propagierten, nämlich „das des ‚bolschewistischen Untermenschen‘, der die Weltherrschaft anstrebe“. Diese Projektion des eigenen Machtstrebens als Herrenmenschen auf andere wird heute von der radikalisierten bellizistischen Mitte aufgegriffen. Die Natoosterweiterung wird verdrängt und auf Putin projiziert, indem ihm Gelüste nach einer Westerweiterung angedichtet werden. Er kommt aber schon in der Ukraine kaum voran. Realitätswidrig fordert die Kriegstreiberin Strack-Zimmermann von uns, in Nazimanier unsere eigenen Wünsche nach Machterweiterung Putin zu unterschieben: Wir müssten Putin „einfach zutrauen“, dass er auch uns angreifen wird. Das mag ihr Job als Rüstungslobbyistin sein, nicht der unsrige. Wir kämpfen für die Entnazifizierung der aktuellen deutschen Sicherheitspolitik. 

Deshalb sind wir heute hier. Dass wir noch als Minderheit erscheinen, muss uns nicht entmutigen. In der Leipziger Nicolaikirche beim montäglichen Friedensgebet waren nach dem Scheitern des Widerstands gegen die Natonachrüstung nur noch 5 Betende übrig, der sechste Teilnehmer war von der Stasi. Da kam die Frage auf: Was sollen wir im unfreien Osten noch machen, wenn die im freien Westen gegen die Aufrüstung erfolglos sind? Darauf sagte die Älteste unter ihnen: Wenn wir nicht weitermachen, wer dann? Sie haben weiter gemacht. Sie wurden zur Keimzelle der Wende. 

So machen auch wir weiter. Wir schweigen nicht zur beschlossenen erneuten Stationierung von Mittelstreckenwaffen in Deutschland. Wir fordern nachdrücklich die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags durch die deutsche Regierung und damit den Austritt aus der Nato. Den Kriegstreibern halten wir den Spiegel vor und prangern ihre Projektion der eigenen Verbrechen auf das Feindbild Putin an. Sie werden wutschnauben. Mag der Verfassungsschutz uns beobachten, nur zu: Der Horcher an der Wand hört seine eigene Schand. Wir verbitten uns, dass unsere Freiheit in der Ukraine verteidigt werden soll in sinnlosem Gemetzel. Für unsere Freiheit müssen wir selbst hier im eigenen Land kämpfen und aufstehen gegen die Sofabellizisten. Wir fördern nach Kräften, dass die Kriegsmüdigkeit aus der Ukraine auch auf unser Land übergreift und endlich zu Friedensverhandlungen führt. Wir werden den Finger immer wieder in die Wunde legen und klar machen, dass dieser Krieg gegen Russland auch uns schwer schadet. Die Pose der Schutzmacht für das Baltikum, mit der Pistorius Deutschland wieder groß machen will, wird enorm teuer werden. Diejenigen, an deren Mund das abgespart werden soll, ermuntern wir, sich an den Wahlurnen bemerkbar zu machen. Wir sagen voraus, dass der Personalmangel bei der Bundeswehr sich verschärfen wird. Die meisten jungen Leute haben in Zeiten des Fachkräftemangels bessere Alternativen. Wir propagieren die Verweigerung des Kriegsdiensts mit der Waffe. So wird aus unserer parlamentarischen Demokratie partiell eine direkte Demokratie wie in der Schweiz. Mögen die Abgeordneten, die nicht in den Krieg ziehen, den Krieg beschließen, sie können erleben: Keiner geht hin. 

Halten wir es mit Reinhard Mey: Unsere Kinder und Enkel bekommen sie nicht!

Ich danke für Eure Aufmerksamkeit.