Anlässlich der Diskussion um die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland rief der Friedenstreff Stuttgart Nord am 25.7.2024 in der Stuttgarter Stadtmitte zu Protesten auf gegen diese Aufrüstungsmaßnahme. An der Kundgebung und anschließenden Demonstration durch die Innenstadt nahmen über 200 Menschen teil, was alle Erwartungen übertraf. Jürgen Wagner von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung erinnerte an die westliche Weigerung, die Behauptung neuer russischer Mittelstreckenraketen zu beweisen. So sei die unbewiesene Unterstellung zum Vorwand geworden, im Westen angeblich nachrüsten zu müssen. Er zitierte Militärstrategen, die offen gestehen, dass durch diese Aufrüstung mit strategischen Offensivwaffen russische „Hochwertziele“ ausgeschaltet werden können. Dies werde russische Gegenmaßnahmen provozieren, deutsche Hochwertziele angreifbar zu machen, Dadurch entstehe die permanente Gefahr, einen versehentlichen Atomkrieg auszulösen. Gegen dieses äußerst waghalsige Raketenschachspiel, das die Opferung Deutschlands riskiere, müsse die deutsche Friedensbewegung aufstehen.
Der ehemalige Betriebsseelsorger Paul Schobel, katholischer Pfarrer und Friedensaktivist erinnerte an die entsetzliche Stuttgarter Bombennacht vor genau achtzig Jahren. Die Juli-Angriffe hätten am Ende über 800 Menschen das Leben gekostet, Hunderttausende wurden obdachlos. Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg, vermutet Paul Schobel, sei Stuttgart mit seinen US-Kommandozentralen längst im Visier russischer Raketen. Wer jetzt nicht endlich verhandelt, sondern auch noch Langstrecken-Waffen in Stellung bringt, riskiert immer mehr den Einsatz taktischer Atomwaffen. „Wir taumeln am Abgrund eines dritten und wohl letzten Weltkriegs“. Der Pfarrer wünscht sich Stadt- und Gemeinderäte, Landräte und Bürgermeister in der ersten Reihe der Friedensbewegung. Denn die Kommunen litten am meisten unter den Kriegsfolgen: Flüchtlingsströme, jetzt noch der Bau von Schutzräumen statt sozialem Wohnungsbau, einbrechende Sozialaushalte – das alles gefährde zunehmend den sozialen Frieden im eigenen Land.
Der Backnager evangelische Pfarrer i.R. Friedrich Gehring erinnerte an den völkerrechts- und grundgesetzwidrigen Nato-Krieg gegen Serbien im Jahr 1999 als die tatsächliche bellizistische deutsche Zeitenwende nach 1945. Die angebliche Schutzverantwortung gegenüber den Kosovaren habe Putin als Blaupause für seine Schutzverantwortung gegenüber der prorussischen Bevölkerung im Donbass gedient. Die Nato-Verbrechen würden nun verdrängt und Putin für seine Nachahmung verteufelt. Diese unerträgliche Doppelmoral stütze die Forderung nach Kriegstüchtigkeit und Russenhass, wie sie schon von Goebbels propagiert wurden. Mögen die Bundestagsabgeordneten, die nicht in den Krieg ziehen, den Krieg beschließen, so müsse doch keiner hingehen. Halten wir es mit Reinhard Mey: Unsere Kinder und Enkel bekommen sie nicht!
Ralf Chevalier vom Friedenstreff Stuttgart -Nord lud zu weiteren Veranstaltungen der Friedensbewegung ein. Am 6. August findet ab 18.30 Uhr vor der Stuttgarter Oper am Eckensee eine Gedenkveranstaltung anlässlich des Jahrestages des US-Atombombenabwurfes auf Hiroshima und Nagasaki statt. Ab dem 6. September gibt es jeden Donnerstag von 17.00 bis 19.00 Uhr an der Kreuzung Königstraße / Rotebühlplatz eine Friedensmahnwache der Stuttgarter Friedensgruppen.