Positionspapier Friedenstreff Stuttgart-Nord, 24. Februar 2024
Wir erleben in Deutschland eine massive Aufrüstung und Militarisierung, die seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar 2022 durch die Bundesregierung extrem vorangetrieben werden und in der Aussage von „Verteidigungsminister“ Boris Pistorius gipfelt, dass Deutschland wieder „kriegstüchtig“ werden müsse.
Vor allem seit dem ersten Coronajahr 2020 und durch die Wirtschaftspolitik und -sanktionen der Bundesregierung seit dem Ukrainekrieg wurden Lebensmittel, Energie und sonstige Güter des täglichen Bedarfs immer teurer. Dies führt zu massiven Einkommensverlusten, Abstiegsängsten und Wut bei einem großen Teil der Bevölkerung, vor allem auch vor dem Hintergrund, dass die Kapitalbesitzenden durch Krieg und Krise noch reicher wurden. So konnten z.B. die fünf reichsten Menschen in Deutschland seit 2020 ihr Gesamtvermögen um rund drei Viertel steigern (Oxfam, 15.01.2024).
Diese Zusammenhänge und Ursachen treiben viele Menschen in die Arme von rechten und rechtsextremen Organisationen und Parteien. Um von diesen Hintergründen abzulenken, waren Spaltung unter den Kolleg:innen und Rassismus schon immer ein beliebtes Instrument der Herrschenden. In besonders menschenverachtender Weise wurde dies bei einem Treffen von Konservativen, Reaktionären und Nazis am 25. November 2023 in Potsdam deutlich, bei dem die sogenannte „Remigration“, also massenhafte Abschiebung von bis zu 20 Millionen Menschen, gefordert wird. Betroffen wären davon Asylsuchende, Ausländer:innen mit Bleiberecht und sogenannte „nicht assimilierte Staatsbürger“. Für viele Migrant:innen unterschiedlichster Herkunft stellt sich somit die Frage, inwieweit sie auch zukünftig in diesem Land beheimatet sein können.
Der Friedenstreff Stuttgart Nord weist Rassismus, jegliche Spaltung sowie Diskriminierung zurück. Vielmehr müssen wir gemeinsam für eine solidarische und friedliche Zukunft kämpfen und die Ursachen beseitigen, die dem entgegenstehen.
Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!
Diese Lehre benennt die zwei Seiten des deutschen Faschismus.
Aggressivität und Repression nach innen, wie
- Verfolgung und massenhafte Ermordung Andersdenkender
- Rassismus und
- Antisemitismus.
Aber auch Aggressivität nach außen, wie
- Aufrüstung und Militarisierung
- ideologische Mobilmachung, Militarisierung
- Schaffung von Feindbildern
- Ausweitung von Wirtschafts- und Ausbeutungsräumen
- Chauvinismus und
- einem Führungsanspruch, der auf Überlegenheitsfantasien beruht
All dies führte dann zum 2. Weltkrieg, der mit dem Überfall auf Polen begann.
Für alle antifaschistischen und friedliebenden Menschen heißt dies eben nicht Aufrüstung um „kriegstüchtig“ zu werden, sondern alles dafür zu tun, dass wir mit allen Völkern friedlich zusammenleben und dabei das Sicherheitsbedürfnis aller Menschen als Voraussetzung unserer eigenen Sicherheit betrachten. Das schließt vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte jeglichen deutschen Führungsanspruch und Expansion nach Osten aus.
Im letzten Jahrhundert gab es verheerende Kriege in Europa, bei denen die Wirtschafts- und Machtinteressen Deutschlands eine bedeutende Rolle gespielt haben. Zweimal hat Deutschland Russland bzw. der Sowjetunion den Krieg erklärt und das Land überfallen. Dabei fielen alleine im 2. Weltkrieg 27 Mio. Sowjetbürger:innen dem Größenwahn und Vernichtungswillen der deutschen faschistischen Regierung zum Opfer.
Den Krieg in der Ukraine beenden – Friedensordnung schaffen!
Der Krieg in der Ukraine hat vor allem in den letzten 2 Jahren, aber auch schon davor im Donbass, zu unzähligen Toten und Verstümmelten geführt, zu Millionen von Geflüchteten und Traumatisierten sowie zur Zerstörung von Städten und Infrastrukturen. Seit vielen Monaten tobt ein mörderischer Stellungskrieg. Dieser Krieg muss umgehend beendet werden. Dies fordern auch zahlreiche Initiativen aus China, Brasilien, Afrika, dem Vatikan oder aber die Initiative „Den Krieg mit einem Verhandlungsfrieden beenden“ von Peter Brandt, Hajo Funke, Harald Kujat und Horst Teltschik. Deutschland muss die Unterstützung des Krieges durch Waffenlieferungen einstellen und die Bundesregierung muss die weltweiten Friedensinitiativen aufgreifen und eine europäische Friedensordnung unterstützen.
Pulverfass Naher Osten – Waffenstillstand im Gaza-Streifen!
Für die Bundesregierung gilt das Völkerrecht offenbar nur noch dann, wenn es eigenen Interessen dienlich ist. Nach den Angriffen der Hamas am 7. Oktober 2023 bombardiert die israelische Regierung seit nunmehr 4 Monaten den Gaza-Streifen. Den Angriffen fielen bereits mehr als 30.000 Zivilist:innen zum Opfer, große Teile des Gebietes sind zerstört. Das Ziel der extrem rechten Regierung scheint die vollständige Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung zu sein. Dies alles hält die Bundesregierung nicht davon ab, die israelischen Angriffe mit Waffenlieferungen bedingungslos zu unterstützen.
Abrüsten statt Aufrüsten!
Seit 2014 stiegen die Rüstungsausgaben in Deutschland nach NATO-Kriterien von 35 Mrd. Euro auf 85 Mrd. Euro. Mittlerweile wird jeder fünfte Euro im Bundeshalt für Rüstung und Militär ausgegeben. Dieses Geld fehlt unmittelbar
- beim Öffentlichen Nahverkehr,
- im Gesundheitssystem,
- in der Pflege,
- bei der Rente,
- in der Bildung und
- beim ökologischen Umbau der Gesellschaft.
Bei der Rüstungsindustrie gehen die Profite durch die Decke und zahlen sollen die „kleinen Leute“. Damit sie dies möglichst widerspruchslos tun, werden äußere und innere Feindbilder benötigt und von allen bürgerlichen Parteien und vielen Medien permanent wiederholt.
Krieg, Militär und Rüstung – bedeutender Mitverursacher des Klimawandels!
Allein im ersten Jahr hat der Krieg in der Ukraine so viele Emissionen verursacht wie der gesamte Staat Belgien in einem Jahr – nämlich 120 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Der militärisch-industrielle Komplex der USA verursacht so viele Emissionen wie ganz Großbritannien, das weltweit auf Platz 20 liegt. Weit über 50% der CO2-Emissionen der deutschen Bundesinstitutionen werden von der Bundeswehr und deren Verwaltung verursacht.
Folgerichtig taucht im „Klimaschutzprogramm 2030″ der Bundesregierung von 2019 die Bundeswehr erst gar nicht auf. Der weltweite Anteil des Militärs am CO2– Ausstoß beträgt 5,5 Prozent und ist somit höher als beim Staat Russland als weltweit viertgrößtem Verursacher.(Quelle: FACTSHEET Klima & Krieg, Imi Tübingen & Naturfreunde Deutschland, Juli 2023)
Allein dies ist bereits ein gewichtiger Grund, um gemeinsam weltweit für Abrüstung und diplomatische Konfliktlösungen einzutreten.
Weltweit – Kooperation statt Konfrontation!
Die Machtverhältnisse auf der Welt verändern sich, weg von der Hegemonie des „Westens“ unter Führung der USA, hin zu einem Erstarken unterdrückter Länder, die sich um den „systemischen Rivalen“ China gruppieren und eine multipolare Weltordnung einfordern.
Allerdings will der NATO-Block, der für sich reklamiert, sein „wertebasiertes“ Gesellschaftssystem zu verteidigen, seinen Weltherrschaftsanspruch nicht aufgeben. Wirtschaftssanktionen sollen die Konkurrenten brechen und schwören das alte Lager auf den Konflikt mit den aufstrebenden Mächten ein. Denn im Sinne des militärischen und politischen Zusammenhalts und Machterhalts der NATO darf es keinen Frieden geben. Deshalb werden Konflikte und Kriege, wie in der Ukraine oder Taiwan, in Kauf genommen und sogar angeheizt.
Doch auch innerhalb des NATO-Lagers knirscht es mächtig im Gebälk zwischen den USA und der EU beim Kampf um Machtanteile und Einflussgebiete, weshalb sich in Deutschland die Stimmen mehren, die Atomwaffen für die EU einfordern. Wenn z.B. die SPD-Politikerin Katarina Barley die EU-Atombombe fordert und ihre Parteikolleg:innen gleichzeitig einen deutschen Führungsanspruch reklamieren, dann wird hier vorerst vorsichtig der deutsche Zugriff auf Atomwaffen formuliert.
Statt die Länder des globalen Südens weiter auszubeuten, statt Stellvertreter- und Bürgerkriege, statt neuer Lagerbildung und Konfrontation fordert der Friedenstreff Stuttgart-Nord eine weltweite friedliche und solidarische Kooperation auf Augenhöhe.
Faschismus ist kein Betriebsunfall – sondern eine Herrschaftsoption im bestehenden Wirtschaftssystem!
Wenn wir heute von der rechtsextremen bzw. faschistischen Gefahr reden, dann lohnt es sich einen Blick auf den historischen Faschismus zu werfen, der nicht einfach vom Himmel fiel.
Schon vor 1933 hatte die NSDAP eine breite Massenbasis, an die Macht wurde sie aber erst am 30. Januar 1933 durch den Reichspräsidenten von Hindenburg gehievt, auf Drängen der reaktionärsten politischen Kreise, der Reichswehr und namhafter Repräsentanten des Finanzkapitals und der Großkonzerne. Diese waren dann auch die Hauptprofiteure von Aufrüstung und anschließendem Eroberungskrieg.
Wie wir spätestens seit 1933 wissen, ist Faschismus grundsätzlich eine Option für die Herrschenden und gesellschaftlichen Eliten. Im Moment werden rechtsradikale Kräfte wie die AfD von der überwiegenden Mehrheit der Unternehmerverbände abgelehnt, aber das kann sich auch ändern, wenn die „Faschisten“ fürs Geschäft nützlich sind. Bereits jetzt erfüllen sie eine wichtige Funktion: Der Rassismus der AfD spaltet die Kolleg:innen, lenkt von ihren gemeinsamen Interessen und von den Ursachen vieler gesellschaftlicher Probleme im Bildungs- und Gesundheitssystem ab, von fehlendem und bezahlbarem Wohnraum, zunehmender Umweltzerstörung, von immer weniger funktionierenden öffentlichen Verkehrsmitteln, von der Arbeitsüberlastung vieler Menschen, usw.
Gemeinsam die fortschreitende Rechtsentwicklung stoppen!
Es steht zweifelsfrei außer Frage, dass die AfD und andere rechtsextreme oder faschistische Kräfte auf verschiedenen Ebenen bekämpft werden müssen, aber sie sind eben nur ein Teil der Entwicklung nach rechts. Die „Geschäftsgrundlage“ rechter Kräfte ist wie im obenstehenden Kasten beschrieben die (ökonomische) Ungleichheit der Menschen. Konservative Kräfte möchten diese beibehalten, reaktionäre Kräfte sie verschärfen, was die aktuelle Situation in Deutschland, aber auch weltweit, beschreibt.
Wir müssen uns fragen,
- wer ist denn rechts, wenn Friedrich Merz über Ayslbewerber:innen sagt: „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger bekommen keine Termine“?
- Wer ist denn rechts, wenn Lars Klingbeil von der SPD fordert, dass „Deutschland den Anspruch einer Führungsmacht haben muss“?
- Wer ist denn rechts, wenn in Kanada der ehemalige SS-Angehörige Jaroslav Hunka, Mitglied der Waffen-SS-Division „Galizien” durch den Premierminister und das Parlament sowie den Präsidenten der Ukraine geehrt wird und die deutsche Botschafterin Sabine Sparwasser daneben steht und Beifall klatscht.?
- Wer ist denn rechts, wenn sich die Bundesregierung beim EU-Lieferkettengesetz enthält, weil die Profite der deutschen Konzerne wichtiger sind als ein minimaler Schutz von Arbeiter:innen, die weltweit von verschärfter Ausbeutung, Vertreibung und Urwaldzerstörung betroffen sind?
- Wer ist denn rechts, wenn der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz fordert, abgelehnte Asylbewerber:innen „endlich im großen Stil abzuschieben“?
Wenn wir verhindern wollen, dass rechtsextreme Parteien wie die AfD immer mehr Zulauf bekommen und irgendwann tatsächlich für eine extrem autoritäre oder faschistische Herrschaft zur Verfügung stehen, dann müssen wir die verschärfte rechte Politik der großen Koalition der bürgerlichen Parteien zum Nachteil des größten Teils der Bevölkerung beenden und eine solidarische und emanzipatorische Politik für Alle durchsetzen.
Wesentliche Forderungen des Friedenstreff Stuttgart-Nord:
- Verhandeln statt Schießen – Stopp aller Waffenlieferungen!
- Abrüsten statt Aufrüsten!
- Beitritt zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag! – Keine EU-Atombomben!
- Schließung der US-Kommandozentralen Eucom und Africom!
- Bleiberecht für alle Menschen!
- Unser Ziel ist eine solidarische Weltgemeinschaft ohne Militär und Krieg, ohne Gewalt und Unterdrückung und ohne Ausbeutung von Mensch und Natur (Stuttgarter Friedenskosens 2024)