Herzlich willkommen zur Gedenkveranstaltung am Volkstrauertag, hier, ganz bewusst am Mahnmal für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
Mein Name ist Susanne Bödecker und ich möchte Sie im Namen des Friedenstreffs Nord ganz herzlich begrüßen.
Der Friedenstreff Nord ist ein Zusammenschluss von Menschen aus dem Stuttgarter Norden, die der schleichenden Militarisierung der Gesellschaft und der zunehmenden Kriegsgefahr etwas entgegensetzen wollen.
Seit September 1947 existiert diese Stele zwischen den 6 Birken.
Ein langer Trauerzug führte damals vom Feuerbacher Bahnhof bis zu dieser Stelle, wo die Einweihung des Mahnmals für die Opfer des Faschismus feierlich begangen wurde.
Am Volkstrauertag 1947, heute vor 69 Jahren, wurde an dieser Stelle das erste Gedenken abgehalten. Veranstalter waren u.a. die KPD, die VVN-BdA und der Verband der Kriegsopfer VdK.
Auf dem Mahnmal sind 26 Namen verzeichnet. Bis auf Helene Wöhr sind all diese Menschen wegen ihres Widerstands von den Nationalsozialisten ermordet worden. An einige von ihnen erinnert seit ein paar Jahren ein Stolperstein.
Helene Wöhr wurde 1942 wegen ihrer jüdischen Herkunft im KZ Riga, in Lettland ermordet.
Auch dieses Jahr haben wir wieder allen Grund, uns hier zu versammeln und zu gedenken, denn wir leben in Zeiten, in denen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus sich ausbreitet und erschreckend viel Nährboden findet.
Ein Dauerthema ist die Flüchtlingsproblematik, wobei die Problematik nicht bei den Flüchtlingen liegt, sondern bei denjenigen, die mit ihren Waffenlieferungen Kriege erst möglich machen und bei Ländern, Regierungen, Menschen, die sich dagegen sperren, Hilfsbedürftigen Schutz und Zukunft zu gewähren, weil sie glauben, selbst dabei die Verlierer zu sein.
Die Grenzen sind weitgehend geschlossen, der Slogan „Refugees welcome“ verstummt, laufend finden Abschiebungen statt. Europa ist nicht erst seit gestern zur „Festung Europas“ geworden. Die zu sicheren Herkunftsländern deklarierten Staaten bieten in Wirklichkeit keinen sicheren Schutz vor Verfolgung. In den Ländern, die im Fokus stehen, werden Sinti und Roma nach wie vor diskriminiert und verfolgt. Viele Asylbewerber*innen müssen damit rechnen, dass sie in ihre Heimatländer abgeschoben werden, in denen Krieg herrscht, z.B. in Syrien, Irak, Afghanistan, Südsudan, usw.
Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen, Amnesty International, Pro Asyl berichten uns aktuell von tausenden Toten und Verletzten in Afghanistan, von ertrunkenen Flüchtlingen im Mittelmeer.
„Fluchtursachen beseitigen!“ hört man inzwischen fast täglich. „Den Rüstungshaushalt kürzen!“ möchte man hinzufügen, stattdessen ist der Haushalt von Frau von der Leyen von 2015 auf 2016 um viele Milliarden Euro aufgestockt worden und Kriegsmaterial wird weiterhin aus Deutschland in Nicht-Nato-Staaten geliefert .
Was hat das mit dem heutigen Gedenktag zu tun?
In der Zeit des Nationalsozialismus war der Widerstand gegen ein verbrecherisches Regime nicht an der Tagesordnung, denn er war lebensgefährlich. Dennoch gab es ihn und es waren hauptsächlich Kommunisten und Sozialdemokraten, die sich den Nazis widersetzten. Damals galt es schon als Hochverrat, wenn Flugblätter verteilt wurden, die vor dem Nationalsozialismus und dem Weltkrieg warnten. Für uns heute unvorstellbar.
Aber auch heute gilt es zu widerstehen, von den Neonazis über die AfD und die Reichsbürger bis hin zur sogenannten „Identitären Bewegung“ reicht die Palette, der wir uns widersetzen müssen, damit nicht noch mehr Schulterschlüsse mit etablierten konservativen Kräften aus Parteien und Kirchen stattfinden und rechte Strukturen für die Menschen normal und tragbar werden.
Es gilt, Passivität und Gleichgültigkeit zu überwinden. Zivilcourage zeigen, zivilen Ungehorsam leisten, wenn es sein muss. Das ist das Gebot der Stunde und der nahen Zukunft. Darin besteht das Vermächtnis derer, an die wir heute denken.
Heinz Hummler wird nun die Gedenkrede für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten halten. Er ist der Sohn eines von den Nazis ermordeten Antifaschisten.
Vielen Dank!